"Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll."
Manchmal frage ich mich wirklich, was in den Köpfen der
Schüler vorgeht. Heute habe ich einen Abschluss-Vortrag für meine
Nachhilfeschülerin versucht zu korrigieren. Nachdem ich nach zweieinhalb(!)
Stunden immer noch nicht fertig war, gab ich entnervt auf.
Mir ist durchaus bewusst, dass Schüler nur begrenzte Kenntnisse
haben. Trotzdem ist diese Leistung einfach nur zum Haare raufen: Teilweise
werden nicht mal Lektionen aus dem ersten Lehrjahr beherrscht. Die zwei Seiten
sind Computer geschrieben, da kann man doch die Word-Autokorrektur einstellen.
So etwas kann nur das Ergebnis sein, wenn man einen fatalen
Fehler begeht: Einen deutschen Text zu schreiben und dann eine Übersetzung in
die Fremdsprache (egal welche) machen.
Das wird niemals funktionieren. Ich meine, dass ich
annähernd muttersprachliche Kenntnisse habe, aber man hat in der Fremdsprache
nie die Möglichkeit, sich wie ein Muttersprachler auszudrücken. Deswegen sollte
man einen Text immer gleich in der entsprechenden Sprache schreiben, das sorgt einerseits
für Authentizität, andererseits kann man dann auch mit grammatikalischen oder
verbalen Schwierigkeiten viel flexibler umgehen.
Außerdem habe ich während des Studiums, drei zweistündige
und zwei vierstündige Übersetzungskurse gemacht, damit ich eben lerne mich
korrekt auszudrücken. Warum sollte das also einem Schüler gelingen, wenn ich es
nicht mal danach perfekt beherrsche?
Der Text sieht jedenfalls so aus, dass überall Häkchen sind,
weil Wörter fehlen, falsche Wörter sind durchgestrichen, Rechtschreibfehler
angestrichen, falsche Wortstellungen sind mit Pfeilen an die richtige Stelle
platziert.
Lektionen aus dem ersten beiden Lehrjahren, die nicht
beherrscht werden: Konjugation der regelmäßigen Verben, Groß- und
Kleinschreibung, Partizipien, Personalpronomen. Nomen werden einfach mal als
Verben konjugiert. In den Sätzen fehlen teilweise die Subjekte oder Verben. Manche
Sätze sind total sinnfrei, selbst wenn ich die mir nicht bekannten Vokabeln
nachschlage, erschließt sich mir der Sinn des Satzes nicht. Vor allem, weil die
herausgesuchten Vokabeln auch nicht stimmen. Und es stehen Wörter im Text, die
definitiv nicht in der Sprache existieren.
Und irgendwann konnte ich meine Zunge nicht mehr halten und
begann Kommentare zu den Fehlern zu machen.
Am Anfang waren diese noch sachlich: Kein Verb im Plural zu einem Singular Nomen! Und warum Conditionnel?
Muss da nicht Vergangenheit hin?
Du brauchst ein konjugiertes Verb im Nebensatz (Zeit: Imparfait)!
Im Satz fehlt ein Verb
Warum votre?
Gesamtkollektiv?
Je weiter die Zeit fortschritt, desto kreativer wurden die
Kommentare; Tina würde sagen speziell ehrlich. Naja, bei sinnfreien Sätzen tuen
sich doch einem so manche philosophischen Fragen auf. So stand da zum Beispiel
bei einem falschen Personalpronomen: Hatte
Coco Chanel eine gespaltene Persönlichkeit? Oder lebte sie in einer Beziehung mit
einer zweiten Frau? (Also eine Ehe zu dritt?)
Wie die nächste Liebe
war eine britische Kultur? Eine britische Bakterienkultur?
Warum venir? Hast du
mal im Wörterbuch nachgeschlagen? Wohl eher nicht! Wer im Wörterbuch nachschlagen
kann ist klar im Vorteil!
Wer soll vous sein?
Ist das Gesamtkollektiv gerade in?
Nein, ich werde natürlich nicht diese Notizen an den Schüler/
die Schülerin weitergeben. Ich werde die Arbeit nicht weiter korrigieren,
sondern zur Überarbeitung mit Wörterbuch und Grammatik "zurückweisen". Ich weiß,
dass Syntax etwas Schwieriges ist und dass man als Schüler nicht immer
abschätzen kann, ob die Vokabel in diesem Kontext richtig ist oder nicht. Ich
habe wirklich großzügig korrigiert und auch Ausdrücke stehen lassen, die man
zwar nie auf Französisch so sagen würde, aber die man als Schüler einfach nicht
entsprechend formulieren kann.
Ich habe die Arbeit Kommilitonen gezeigt, teilweise ist die
Absicht der Sätze erkennbar, teilweise auch nicht.
Jedenfalls saß ich in der UB mit einem Wörterbuch und
ärgerte mich um die vergeudete Zeit, die ich lieber in die Prüfungsvorbereitung
gesteckt hätte. Ich saß dort also vor dem Wörterbuch und schlug unklare Wörter
und Kombinationen nach und irgendwann fragte ich mich, ob ich denn als Lehrer
später frustriert vor mich hinvegetieren werden würde. Ich meine, wenn man
solches Zeug auch noch als Klassensatz korrigieren soll… Jedenfalls sollte ich
mich nach einer guten Frustrationsbewältigung umsehen.
Jedenfalls musste ich dann an das Känguru und „Die Korrekturen“ denken, was mich jedes Mal beim Anhören aufheitert. Mein Lieblingssatz
ist jedenfalls: „Auf diesem Kindergartenniveau bewegt sich leider deine
Argumentation.“ Und ich dachte: Vielleicht werde ich einfach auch Känguru!
PS: Der Freund meinte gerade an Telefon, dass er nicht genau wüsste, ob ich mich aufregen oder amüsieren würde.
PPS: Beides!
PS: Der Freund meinte gerade an Telefon, dass er nicht genau wüsste, ob ich mich aufregen oder amüsieren würde.
PPS: Beides!