Donnerstag, 23. Januar 2014

Die Korrekturen

"Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll."

Manchmal frage ich mich wirklich, was in den Köpfen der Schüler vorgeht. Heute habe ich einen Abschluss-Vortrag für meine Nachhilfeschülerin versucht zu korrigieren. Nachdem ich nach zweieinhalb(!) Stunden immer noch nicht fertig war, gab ich entnervt auf.

Mir ist durchaus bewusst, dass Schüler nur begrenzte Kenntnisse haben. Trotzdem ist diese Leistung einfach nur zum Haare raufen: Teilweise werden nicht mal Lektionen aus dem ersten Lehrjahr beherrscht. Die zwei Seiten sind Computer geschrieben, da kann man doch die Word-Autokorrektur einstellen. 



So etwas kann nur das Ergebnis sein, wenn man einen fatalen Fehler begeht: Einen deutschen Text zu schreiben und dann eine Übersetzung in die Fremdsprache (egal welche) machen.

Das wird niemals funktionieren. Ich meine, dass ich annähernd muttersprachliche Kenntnisse habe, aber man hat in der Fremdsprache nie die Möglichkeit, sich wie ein Muttersprachler auszudrücken. Deswegen sollte man einen Text immer gleich in der entsprechenden Sprache schreiben, das sorgt einerseits für Authentizität, andererseits kann man dann auch mit grammatikalischen oder verbalen Schwierigkeiten viel flexibler umgehen.

Außerdem habe ich während des Studiums, drei zweistündige und zwei vierstündige Übersetzungskurse gemacht, damit ich eben lerne mich korrekt auszudrücken. Warum sollte das also einem Schüler gelingen, wenn ich es nicht mal danach perfekt beherrsche?


Der Text sieht jedenfalls so aus, dass überall Häkchen sind, weil Wörter fehlen, falsche Wörter sind durchgestrichen, Rechtschreibfehler angestrichen, falsche Wortstellungen sind mit Pfeilen an die richtige Stelle platziert.

Lektionen aus dem ersten beiden Lehrjahren, die nicht beherrscht werden: Konjugation der regelmäßigen Verben, Groß- und Kleinschreibung, Partizipien, Personalpronomen. Nomen werden einfach mal als Verben konjugiert. In den Sätzen fehlen teilweise die Subjekte oder Verben. Manche Sätze sind total sinnfrei, selbst wenn ich die mir nicht bekannten Vokabeln nachschlage, erschließt sich mir der Sinn des Satzes nicht. Vor allem, weil die herausgesuchten Vokabeln auch nicht stimmen. Und es stehen Wörter im Text, die definitiv nicht in der Sprache existieren.

Angefangene Korrektur
Und irgendwann konnte ich meine Zunge nicht mehr halten und begann Kommentare zu den Fehlern zu machen.


Am Anfang waren diese noch sachlich: Kein Verb im Plural zu einem Singular Nomen! Und warum Conditionnel? Muss da nicht Vergangenheit hin?


Du brauchst ein konjugiertes Verb im Nebensatz (Zeit: Imparfait)!

Im Satz fehlt ein Verb

Warum votre? Gesamtkollektiv?

Je weiter die Zeit fortschritt, desto kreativer wurden die Kommentare; Tina würde sagen speziell ehrlich. Naja, bei sinnfreien Sätzen tuen sich doch einem so manche philosophischen Fragen auf. So stand da zum Beispiel bei einem falschen Personalpronomen: Hatte Coco Chanel eine gespaltene Persönlichkeit? Oder lebte sie in einer Beziehung mit einer zweiten Frau? (Also eine Ehe zu dritt?)

Wie die nächste Liebe war eine britische Kultur? Eine britische Bakterienkultur?

Warum venir? Hast du mal im Wörterbuch nachgeschlagen? Wohl eher nicht! Wer im Wörterbuch nachschlagen kann ist klar im Vorteil!

Wer soll vous sein? Ist das Gesamtkollektiv gerade in?


Nein, ich werde natürlich nicht diese Notizen an den Schüler/ die Schülerin weitergeben. Ich werde die Arbeit nicht weiter korrigieren, sondern zur Überarbeitung mit Wörterbuch und Grammatik "zurückweisen". Ich weiß, dass Syntax etwas Schwieriges ist und dass man als Schüler nicht immer abschätzen kann, ob die Vokabel in diesem Kontext richtig ist oder nicht. Ich habe wirklich großzügig korrigiert und auch Ausdrücke stehen lassen, die man zwar nie auf Französisch so sagen würde, aber die man als Schüler einfach nicht entsprechend formulieren kann.

Ich habe die Arbeit Kommilitonen gezeigt, teilweise ist die Absicht der Sätze erkennbar, teilweise auch nicht. 

Jedenfalls saß ich in der UB mit einem Wörterbuch und ärgerte mich um die vergeudete Zeit, die ich lieber in die Prüfungsvorbereitung gesteckt hätte. Ich saß dort also vor dem Wörterbuch und schlug unklare Wörter und Kombinationen nach und irgendwann fragte ich mich, ob ich denn als Lehrer später frustriert vor mich hinvegetieren werden würde. Ich meine, wenn man solches Zeug auch noch als Klassensatz korrigieren soll… Jedenfalls sollte ich mich nach einer guten Frustrationsbewältigung umsehen.


Jedenfalls musste ich dann an das Känguru und „Die Korrekturen“ denken, was mich jedes Mal beim Anhören aufheitert. Mein Lieblingssatz ist jedenfalls: „Auf diesem Kindergartenniveau bewegt sich leider deine Argumentation.“ Und ich dachte: Vielleicht werde ich einfach auch Känguru!

PS: Der Freund meinte gerade an Telefon, dass er nicht genau wüsste, ob ich mich aufregen oder amüsieren würde.
PPS: Beides!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen