Dienstag, 27. September 2011

Der Universaldiktator

Neulich, in der 2. Chemie Stunde ihres Lebens, durfte ich bei den 8ten Unterricht machen. Sie waren vielmehr meine Versuchskaninchen. Das Thema lautete „Kennzeichen chemischer Reaktionen“. Nachdem sie in der 1. Stunde der großen Überzeugung waren, dass man als Chemiker nur bunte Flüssigkeiten zusammen mischt, wollten wir diese Motivation für ein Schülerpraktikum nutzen.
Wenn ich gerade sowieso schon den Unterricht vorbereite, darf ich ihn in allen drei achten Klassen machen.

Highlight der 8x:

Tante Phie sagt:
„Räumt die Bücher und Ordner vom Tisch.“ Wird nur partiell verstanden.
„Dreht die Wasserhahnen vorsichtig auf.“

Der erste dreht auf, lautes Gekreische folgt, denn das Wasser überschwemmt den Tisch, die Tinte verschwimmt.
Gestaunt wird über die Farben (pink, lila, türkis) und den Schaum (Backpulver und Zitronensäure), dass sich Feststoffe auflösen und dabei Gase bilden (Natriumcarbonat und Salzsäure).
Plötzlich tauchen braune Flecken auf der Hand auf. Ich schicke die Kinder zum Hände waschen. „Geht das wieder weg?“ „Wasch dir die nächsten Tage regelmäßig mit Seife die Hände, dann ist es bis spätestens in drei Tagen wieder weg.“

Ich nutze, nachdem das erste Chaos überwunden ist, die „Pause“ und stelle mich an den Materialwagen mit den Chemikalien.
Schülerin zeigt auf eine Flasche und fragt: „Ist das der Universaldiktator?“
Ich muss mich kurzzeitig zusammenreißen und sage: „Ja, das ist der In-di-ka-tor.“
Ich laufe die Treppe hoch. Eine Schülerin schüttelt das Reagenzglas, ich sage noch: „Nicht den Daumen drauf machen.“ Und schon ist der Daumen schwarz.

Highlights der 8y:

Neuerungen: sie müssen jetzt Unterlagen benutzen, sind aber aufmerksamer und räumen daher gleich alle ihre Ordner und Bücher weg. Dann gibt es eine kurze Demonstration wie man chemisch korrekt schüttelt. Gleich der Hinweis, wer sich etwas über die Hände tropft, soll es gründlich mit Wasser abspülen.
Alle fangen mit den Versuchen an und dann stehen die Schüler am Waschbecken.
Die eine zur anderen: „Schau mal, voll weggeäzt.“ Ich schnappe nur das Wort weggeäzt auf und frage: „Wo?“ Ist nur ein brauner Fleck.
Nächster: „Ich hab mir Salzsäure auf die Finger getropft, das hat voll gebrannt.“  Zum Glück wurde mein Ratschlag mit dem Wasser berücksichtigt.

In dieser Klasse fällt zum ersten Mal der Unterschied zwischen NWT und 3. Fremdsprache auf. Während den NWTlern die Arbeit flüssig von den Händen geht, brauchen die Sprachler deutlich länger. Der Rest darf dann eben Pause machen und wird von mir bespaßt. Mit einem Reagenzglas in dem erst eine durchsichtige Flüssigkeit rot ist, die nach Zugabe einer anderen Flüssigkeit blau wird. Oooooooooohhhhhhhhhhh!

Hier fällt die Frage: „Heißt das Indikat-or oder Indikat-ooooooooooooor?“ Mit diesen tiefgründigen Unterschieden der Betonung des Wortes Indikator habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt. Was soll ich da sagen? Also sage ich: „Ich sage Indikat-or.“ Der Schüler ist zufrieden, ich auch.

Highlights der 8z:

Nachdem ich die letzten beiden Male schon mit den möglichen Szenarien der Stunde beschäftigt habe, läuft hier alles glatt. Die Klasse arbeitet super mit. Ich kann sie an Hand der Namensschilder (aus Malerkrepp) mit Namen ansprechen, sie mich auch. Sie kommen mit ihrem Fragen ausschließlich zu mir, arbeiten gründlich, sauber, ohne Katastrophen und sind vor allem mit Begeisterung dabei, selbstbewusster als die anderen Klassen (scheint wohl am hohem NWT-Anteil zu liegen).
Am Ende sortieren sie mir noch den Wagen, da stehen dann die Flaschen bündig in Reih und Glied, die anderen Gefäße auch. Die Indikatorrollen sind exakt übereinander gestapelt. Was will man mehr?

„Schau mal, es ist lila und es glitzert!“ (Das ist exakt die Beschreibung des Verhältnisses, das Frauen zu Farben haben, das mir mein ehemaliger Laborassistent erzählt hat)
Aus dieser Klasse gibt es ein anderes Mal noch eine kurze Geschichte zu einem der Versuche, die wir gemacht haben. Die ist einfach nett und zeigt der Arbeitseifer und die Begeisterung, mit der sie dabei waren und auch den Ehrgeiz, den sie haben.

Nach der Besprechung der Versuche sitzt eine strahlende Klasse vor mir und zwei Mädchen fragen:
„Tante Phie, wann machen wir mal was mit Schutzbrille, Handschuhe und mit Brenner, wo es spritzt und blubbert und hinter explodiert?“
Ich grinse und sage „Bald.“
Die Armen, wenn sie wüssten wie viel Theorie man auch in Chemie machen muss. Leider kann man nicht jede Stunde Schülerversuche machen. Das Leben ist kein Ponyhof. Aber die Illusion möchte ich ihnen nicht gleich am Anfang nehmen.

2 Kommentare:

  1. Hahahaha das war einen sehr lustig (funny?) post! Wie alt sind die studenten? Sie schauen gerade sehr Jung. Ich kann mich nicht erinneren, ob du mir erzählt ihrer Alter.

    Forgive my terrible German, but I am clinging to the few words I know and the vestigial grammar I can remember :P Jus passing by and saying hello!

    AntwortenLöschen
  2. The kids are between 13 and 15. It was the second chemistry lesson of their life =)

    You haven't seen me writing Spanish, so you’re much better than me.

    AntwortenLöschen